Things never go as planned
Die eigene Fluglizenz seit knapp zwei Jahren in der Tasche und zahlreichen Flügen durch Deutschland und Österreich, war es nun an der Zeit, den nächsten Traum anzugehen: Flugurlaub mit dem Flugzeug. Doch wohin? Frankreich klingt verlockend, es herrschen meist sommerliche Temperaturen und viele Menschen in meinem Umfeld schwärmen von der Landschaft und der Kultur. Allerdings spreche ich kein Wort Französisch und die Luftraumstruktur wirkt auf mich aufgrund ihrer Komplexität für mich auch erst einmal abschreckend. Später mal, wenn ich mehr Erfahrung habe. Italien wäre ebenfalls reizvoll, doch die Alpen stellen gerade wettertechnisch eine signifikante Hürde dar. Eine 80 PS Katana bietet gerade bei sommerlich hohen Umgebungstemperaturen einfach nicht genug Leistungsreserven.
So fiel die Wahl schließlich auf das Vereinigte Königreich: Die Sprache beherrsche ich fließend, die Lufträume sind ähnlich strukturiert wie in Deutschland, und obwohl das britische Wettergeschehen als wechselhaft bekannt ist, bleibt es in der Regel gut genug für Flüge nach Sichtflugregeln. Nach monatelanger Planung sollte es dann Anfang Juli endlich losgehen. Am Vorabend des geplanten Abflugs deutete sich jedoch bereits an, dass mich ein leicht launischer Wettergott erwarten würde – mit der Möglichkeit, dass das Tief über dem Atlantik nicht nach Norden abzieht und stürmische Winde auf der Insel nach sich ziehen könnte. Ich entschied mich dafür, den Flug zu anzutreten, und das Wetter an meinem ersten Übernachtungsstopp erneut zu evaluieren.
So beginnt die Reise am Montag, den 03.07.2023 mit 4 POB und einem Disput unter den Einhörnern, wer denn jetzt an Bord das Kommando hätte. Der Ausgang dieser Debatte ist bis heute unbekannt. Um 09:35 Uhr hob schließlich das Fahrwerk von der Piste 18 ab, ich wackelte zum Abschied mit den Tragflächen und nahm Kurs auf das erstes Zwischenziel Marburg-Schönstadt, um am dort stattfindenden Treffen des CFWU Podcasts teilzunehmen. Nach entspannten 62 Minuten Flug durch das Rheintal und vorbei am Frankfurter Luftraum, war ich auch schon angekommen.
Es folgte ein kurzer Kaffeestopp und ein Plausch mit den angereisten Lotsen und Piloten, und schon ging es weiter in Richtung Rotterdam. Angesichts einer geschlossenen Wolkendecke in 4000 ft und bergigen Terrain eine ziemliche turbulente Angelegenheit. Ein Direct durch den Düsseldorfer Charlie Luftraum verkürzte die Flugzeit auf 2:14h, was angesichts der Turbulenzen im Flug sehr zu allgemeinen Wohlbefinden beigetragen hat
In Rotterdam ist Handling verpflichtend. Meist eine recht kostspielige Angelegenheit mit recht überschaubarem Mehrwert. Der Vliegclub Rotterdam, betreibt am Flughafen sein Vereinsheim und bietet für Privatpiloten ein preiswertes Handlingspaket an.
Doch der Vliegclub Rotterdam macht das Ganze deutlich attraktiver: Mit seinem Vereinsheim am Flughafen bietet er für Privatpiloten ein preiswertes Handlingspaket und damit eine perfekte Destination, um von dort über den Kanal nach Großbritannien überzusetzen. Entsprechend war der Flug bei Ankunft mit dem Flughafen koordiniert und so wartete bereits ein Follow Me, um mich zur Parkposition zu geleiten. Kaum waren die Hörner samt Gepäck ausgeladen und der Flieger vertäut, wurden wir auch schon sehr herzlich von den dortigen Mitarbeitenden des Vliegclub begrüßt. Das Vereinsheim mit eigener Fliegerklause ist recht schnuckelig und man hat eine sehr gute Sicht auf die Runway - lohnt sich also auf jeden Fall dort mal vorbeizuschauen.
Nach dem Flug ist vor dem Flug und so nutzte ich die Zeit in der U-Bahn, um nach dem Wetter für den morgigen Dienstag zu schauen. Zu diesem Zeitpunkt war das Ziel noch immer Duxford in England. So langsam verdichteten sich die Hinweise, dass sich das Tief über der Ostsee und damit auch die zu erwarteten Windstärken noch weiter verstärken würden. Die nächsten Wetterdaten gab es um 22 Uhr - Zeit für Abendbrot.
23 Uhr, Hotelbar im 5. Stock, perfekter Ausblick über die Stadt, die neuesten Wetterdaten sind soeben eingetroffen und es tritt ein, was keiner gehofft hat: Für Dienstag und Freitag werden heftige Stürme über dem Gebiet des United Kingdoms und Nordeuropas erwartet, an den restlichen Tagen tiefe Wolkenuntergrenzen, nur vereinzelt schöne Tage. Es fällt die Entscheidung, Schottland als Ziel aufzugeben. Ich muss euch glaube nicht sagen, wie weh das tut, wenn mehrere Monate der Vorbereitung innerhalb einer solch kurzen Zeit zunichtegemacht werden.
Aber was jetzt? Zusammen mit einer spontan einberufenen Telefonkonferenz erörtern wir die Optionen. Zurück nach Walldorf und es wann anders erneut versuchen? Nach Osteuropa? Nach Italien? Frankreich? Nach einigem Hin und Her wirft irgendwer den Namen Épinal in den Raum und so fällt die Entscheidung schlussendlich auf Épinal in Frankreich. Es soll einer schöner Platz sein.
Der Dienstag startete nach der langen Nacht ersteinmal mit einem gemütlichen Frühstück. Zurück am Flughafen dann das übliche, Briefing, Papierkram, Flugplan aufgeben, Flieger checken und tanken. Departure in Rotterdam auf der 24, Romeo Departure, Belgien voraus. Die Brüssel TMA konnte mich leider aufgrund einer militärischen Übung an dem Tag nicht aufnehmen und so blieb mir nichts anderes übrig als die vier vor mir liegenden Kontrollzonen in 1000 ft MSL zu durchqueren. Eine Story für sich.
In Frankreich, wie sollte es auch anders sein, klarte dann das Wetter sehr rasch auf. Sommerliche Temperaturen, ein paar Cumulus Wolken mit gut nutzbarer Thermik, fliegerisch ein Traum - auch wenn unterwegs aufgrund der Topographie öfters mal der Radarkontakt abbrach.
Aber nicht nur das Wetter änderte sich rapide, auch die Landschaft könnte nicht gegensätzlicher sein. Während ich in Belgien hauptsächlich dicht besiedeltes Terrain überflog, zog nun ein hauptsächlich landwirdschaftliches Landschaftsbild an meinem Fenster vorbei. Sehr viel leere Fläche, vereinzelt durchsetzt mit kleineren Siedlungen. Nachdem unterwegs noch einer kleiner Schauer für ein sauberes Flugzeug sortge, fand der Flug schließlich nach 3:02 h mit einer ereignislose Landung in Epinal seinen Abschluss.
Ich war also in Épinal – laut Wikipedia die Hauptstadt des französischen Départements Vosges. Aufgrund des sehr begrenzten Zeitbudgets, das mir in Rotterdam für die Flugvorbereitung zur Verfügung stand, priorisierte ich eine sorgfältige Flugplanung über das Vertrautmachen mit der Destination oder die Suche nach einer Unterkunft. Der Plan war schlichtweg, zunächst dem Sturm zu entkommen. Mein Fehler lag jedoch darin, die geographische Lage des Flugplatzes in Relation zu seinem Namen nicht genauer geprüft zu haben. So war ich der Illusion erlegen, es handele sich um einen wenigstens rudimentär angebundenen und entwickelten Provinzflughafen. Entgegen dieser Annahme fand ich mich jedoch bei bester Abendsonne mitten im Nirgendwo wieder – ohne Hotel und ohne weiteren Plan.
Zum Glück ist in der Fliegerei vieles klar strukturiert, und so machte ich mich zu Fuß auf den Weg zum Häuschen mit dem gelben “C”. Dort findet man auf Flugplätzen den Flugleiter oder die Luftaufsicht – also Personen, die über mehr Lokalkompetenz verfügen als man selbst. Oben im Turm angekommen, erwartete mich bereits der Fluglotse – sichtlich irritiert darüber, dass ich hier zu so später Stunde noch gelandet bin. Für die meisten wäre dieser Platz nur ein kurzer Zwischenstopp zum Tanken. Nachdem ich ihm kurz und bündig die Ereignisse der letzten 24 Stunden geschildert hatte, meinte er nur: “Oh wow – that’s one of those trips you can tell your grandchildren about. But for now, you need something to eat and a bed. I’ll organize it. Grab your luggage, and we’ll meet downstairs.”
Während ich also das Flugzeug abrüstete, organisierte mir der (sehr nette) Towerlotse ein Hotel und brachte mich anschließend auch dort hin. Danke nochmals - das hat mir den Tag gerettet! Wie gesagt, mitten im Nichts. Ab 20:30 Uhr war das kleine Dorf mit dem Namen Mirecourt wie ausgestorben.
Am nächsten Tag sollte es weiter gen Süden nach Aix-en-Provence, eine kleine Stadt in der Nähe von Marseille, gehen. Aber wir erinnern uns: Der Flugplatz und auch das Hotel liegen beide jeweils mitten im Nichts - sind jedoch durch 8 km Autofahrt getrennt. Das einzige Taxi im Ort war bereits bis in die frühen Nachmittagsstunden ausgebucht und so organisierte der Portier kurzerhand die nächste beste Alternative; den Rettungswagen des örtlichen Krankenhauses. Ich hielt dies zunächst für einen Scherz, aber 5 Minuten später saß ich in jenem Rettungswagen und fand mich weitere 10 Minuten Fahrt am Flugplatz wieder, wo ich schon vom Flugleiter erwartet wurde.
Wir unterhielten uns noch eine ganze Weile über seine frühere Militärzeit und die Fliegerei, während ich parallel meinen Flugplan aufgab, welcher kurz darauf als Kontrollstreifen aus dem Drucker fiel. Dankbar über so viel Gastfreundschaft verabschiedeten wir uns voneinander und ich machte mich auf zu Katanchen welche mit knurrendem Magen auf dem Vorfeld auf mich wartete. Kurze Zeit später war der Tank gefüllt, das Gepäck verstaut und so setzten wir uns in Bewegung. Nach dem Abflug erhielten wir auf FIS bereits die ersten Freigaben für die vor uns liegenden Lufträume - jedoch führte die verwendete Phraseologie initial zu Verwirrung. Der Lotse beantwortete meine Anfrage für eine Durchflugfreigabe mit “everything will be okay” und erteilte mir damit aus seiner Sicht die erbetene Freigabe. Für mich war das jedoch erstmal nur ein wohlklingendes “Roger” und so frage ich fünf Minuten vor Erreichen des freigabepflichtigen Luftraums erneut nach einer Freigabe. Dieses Mal nutzte der Lotse die vorgeschriebene Phraseologie und erklärte mir, dass die Dinge in Frankreich ein wenig entspannter laufen würden als in Deutschland.
Angekommen in Aix-en-Provence war der Plan, dort zwei Nächte zu verweilen und mit dem Zug einmal nach Marseille zu fahren. Die Hotelsituation war aber alles andere als optimal - so konnte ich dank der Hilfe eines lokalen Piloten, welcher mich auch vom Flugplatz dort hinbrachte, eines der letzten freien Zimmer ergattern. Was nun dachte ich mir? Da schrieb mich ein befreundetes Paar an, welches gerade seinen Jahresurlaub in einem Strandhaus auf Menorca verbrachte. Sie hätten noch Platz und wenn ich eh schon in der Nähe bin, könnte ich ja einfach mal vorbeischauen. Fortsetzung folgt.